Die M*-Straße als Spiegel der deutschen Kolonialgeschichte
Anhand der M*-Straße lässt sich die Einbindung Berlins in die europäische Kolonialgeschichte vom 17. Jahrhundert bis zu ihren Nachwirkungen in der Gegenwart auffächern. Die M*-Straße erhielt ihren Namen vermutlich im Jahr 1706 oder 1707 und geht, so die derzeit wahrscheinlichste Hypothese, auf nach Preußen verschleppte Schwarze Menschen zurück, die zumeist als sogenannte "Kammerm*" oder als Heeresmusiker arbeiteten. Der Straßenname ist somit ein Zeugnis für die Präsenz Schwarzer Menschen in Deutschland lange vor dem kaiserlich-deutschen Kolonialreich.
Die sogenannte Berliner Afrika-Konferenz von 1884/1885 fand in unmittelbarer Nachbarschaft zur M*-Straße, in der Wilhelmstraße 92, statt. Auf der Konferenz verhandelten Deutschland und andere europäische Kolonialmächte über die Besitznahme kolonialer Territorien auf dem afrikanischen Kontinent. Drei Jahre zuvor hatte die Schokoladenfabrik Sarotti ein Ladenlokal in der M*-Straße 10 eröffnet. Kakao war – wie Zucker, Kaffee oder Tee – eine klassische koloniale Ware. Die Konsumwelten von vormals kolonialen Produkten waren und sind teils immer noch von einer rassistischen und exotisierenden Bildsprache geprägt. Von 1918 bis 2004 nutzte die Firma Sarotti das exotisierende Symbol des sogenannten Sarotti-M*, um für ihre Produkte zu werben. Die Einführung des Firmenlogos versinnbildlicht die kolonialrevisionistischen Bestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg, die unter nationalsozialistischer Kolonialpropaganda fortgeführt wurden.
Im Zuge der Entnazifizierung wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Straßen um- bzw. rückbenannt. Dabei handelte es sich um Straßennamen, die mit nationalsozialistischer Ideologie und Gewaltherrschaft in Verbindung standen. Die auf koloniale Ideologie und Gewaltherrschaft verweisende M*-Straße hat ihren Namen jedoch behalten.
Nach dem Fall der Berliner Mauer kam es auf Empfehlung einer eigens für den Bezirk Mitte eingesetzten Kommission erneut zu Straßenumbenennungen oder -umwidmungen. Im Zuge dessen wurde der U-Bahnhof "Otto-Grotewohl-Straße" 1991 in M*-Straße umbenannt.
Die nach 1945 und 1989 durchgeführten Straßenumbenennungen verdeutlichen, dass es von stadtpolitischer Seite zwar eine kritische Distanzierung gegenüber den deutschen Diktaturen gibt, nicht aber hinsichtlich des transatlantischen Versklavungshandels und europäischen Kolonialismus.