Friederike Faust
Offensive aus dem Abseits. Wie Akteur_innen im Frauenfußball die Geschlechterverhältnisse herausfordern. Eine Fallstudie
Betreuung: Prof. Dr. Beate Binder
Förderung: Heinrich-Böll-Stiftung
Abstract
Deutschland 2011, ein Sommermärchen: 41 Jahre nachdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das offizielle Frauenfußballverbot aufhob, begeistert die FIFA-Weltmeisterschaft der Frauen Millionen Zuschauer_innen. Längst sind Brüche in dem als rein männlich konstruierten Bereich des Fußballs sichtbar, die immer mehr Frauen den Weg hinein in die Vereine und auf die Sportplätze ermöglichen. Sport- und kulturwissenschaftliche Forschungen belegen jedoch, dass sie auf diesem immer wieder sexistische und homophobe Diskriminierung erfahren und als ‚die Anderen’ des Fußballs ausgegrenzt werden. Dagegen erheben sich mehr und mehr Stimmen. Am Beispiel einer Frauenfußballorganisation und auf der Basis ethnographischer Methoden frage ich danach, wie Subjektivitäten im Kontext spezifischer Ausgrenzungsmechanismen konstruiert werden und in welcher Weise sich Sport, Politik und Geschlecht im Selbstverständnis der Akteur_innen niederschlagen, verbinden und in sozialen Praktiken umgesetzt werden.
Angesiedelt an der Schnittstelle zwischen Sport und Politik führt mein Vorhaben dabei über das engere Feld des Sports hinaus in gesellschaftspolitische Felder: Die Aktivitäten der Organisation sollen daraufhin untersucht werden, mit welchen Praktiken und Argumentationen in gesellschaftliche Machtverhältnisse eingegriffen und diese verändert werden.
Das Aufeinandertreffen von und die Interaktion zwischen Ausgrenzungs- und Subjektivierungsprozessen und politisch-subversiven Aktivitäten können aufgrund ihrer Komplexität und ihrer Vieldimensionaltität am besten anhand einer qualitativen Einzellfalstudie verstanden werden. Ein qualitativ-ethnographisches Vorgehen und die Methode der Teilnehmenden Beobachtung bieten sich besonders an, da diese die situativen und alltäglichen Ausdrucksformen und Aushandlungsprozesse erfassen. Durch die Einnahme der emischen Perspektive wird verständlich, wie Ausgrenzungsmechanismen auf die Betroffenen konkret wirken und wie diese sie zu Gegenmaßnahmen motivieren.
Das theoretische Fundament bilden praxeologische Ansätzen. Pierre Bourdieus Habitus-Begriff und die Theorie der männlichen Herrschaft zusammen mit Judith Butlers Konzept der Heteronormativität erfassen Subjektivitäten innerhalb bestimmter Kräfteverhältnisse. Butlers Idee subversiver Identitäten in Ergänzung mit Bourdieus symbolischer Revolution ermöglichen dann die Frage, wie bestimmte Akteur_innen jene Machtverhältnisse herausfordern und verändern.
Durch einen intersektionalen Ansatz und die Verbindung von Politik, Sport und Geschlecht knüpft die Arbeit an gender-/queertheoretische Debatten innerhalb der Ethnologie und der Sportsoziologie an. Sport wird gemeinhin als Ort des doing gender verstanden, der zugleich von unterschiedlichen Machtmechanismen durchzogen ist. Gleichzeitig trägt diese Arbeit, indem sie Fußball als Mittel politischer Aktivitäten untersucht, zur politikethnologischen und gesellschaftlich relevanten Frage bei, wie Akteur_innen in bestehende Ordnungen eingreifen können.
Schlüsselbegriffe
Gender/Queer Studies, Sportethnologie, Fußball, Citizenship, Feminismus
Curriculum Vitae
2004–2011 Studium der Ethnologie, Germanistik und Politikwissenschaften an der Universität Heidelberg, 2011 Magistra Artium, seit 2012 Promotion am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität Berlin
Kontakt
E-Mail: f.faust@hu-berlin.de