Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Europäische Ethnologie

Forschungsprojekt „Affektive Maskulinität und Gesellschaftskritik“

Deutsche Avantgarden an der Schnittstelle von Wahnwitz und Heterotopie
Projektbeginn: Juni 2012
Förderinstitution: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Forschergruppe 1120

 

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit losen Formationen radikaler Gesellschaftskritik, die sich in wechselnden Zusammensetzungen vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg formierten. Drei Modi der Kritik sollen im Zentrum der Analyse stehen: a) politische Kritik (Anarchismus, Pazifismus, Anarchosyndikalismus, Kommunismus), b) Zivilisationskritik in der Maske des ‚Anderen‘ (Primitivismus, Kolonialkritik, Exotismus) und c) künstlerische Kritik oder Kritik am Kunstbetrieb (Avantgarden, Expressionismus, Dadaismus). Gemeinsam sind den Kritikern hochaffektiv besetzte Sprach- und Bildräume, pathetische Inszenierungsgesten und Selbst-Positionierungen jenseits von ‚Normalität‘. Untersucht werden soll, wie solche extremen Außenseiter- bzw. Minderheitenpositionen sich in wechselnden ‚emotionalen Gemeinschaften‘ finden und dabei Wahnsinn als semantisches Feld verhandeln: in poetischer Heroisierung der Figur des Irren, in provokativen Gesten der mentalen Selbstpathologisierung, in Polemik gegen bürgerliches ‚Philistertum‘ und anfänglicher Kriegsbegeisterung als ‚ver-rückter‘ sozialer Pathologie. Dabei sollen Beziehungen zwischen Radikalkritik von emotionalen Gemeinschaften junger nonkonformistischer Männer  an der Schnittstelle zu psychiatrischen Fassungen von mental exzessiven und expressiven Geistezuständen betrachtet werden. Es geht darum, eine zeitspezifisch Affektive Maskulinität im metropolitanen berliner Raum zu konturieren. Ziel des Forschungsprojekts ist die Erarbeitung einer Phänomenologie produktiv ‚scheiternden‘ kritischen Eigensinns im Spannungsfeld von Individuen und Gruppen einerseits und andererseits im Verhältnis zur Aneignung und Gestaltung städtischer Topographien.

 

Das Projekt ist Teil der Forschergruppe 1120 "Kulturen des Wahnsinns - Schwellenphänomene der urbanen Moderne (1870-1930)"

Mehr Informationen zur Forschergruppe: www.kulturen-des-wahnsinns.de